Glasermeisterin mit Durchblick: Andrea Wilde aus Groß Schwarzlosen.
Handwerkskammer Magdeburg
Glasermeisterin mit Durchblick: Andrea Wilde aus Groß Schwarzlosen.

500 Jahre nach der Reformation stellen wir Handwerker vor, die in, an oder für Kirchen arbeiten.Handwerk & Kirche

Teil 6 - Glaserin Andrea Wilde aus Groß Schwarzlosen

Die Liste der Referenzobjekte liest sich wie ein Kirchenführer: Dom Magdeburg, Dom Halberstadt, St. Stephani Helmstedt, Dom St. Nikolaus Stendal, St. Jakobi Stendal, St. Marien Stendal, Dom St. Marien Havelberg, St. Marien Salzwedel, St. Johannis Werben, St. Nicolai Coswig, Dom Güstrow, St. Trinitatis Genthin, St. Katharinen Oebisfelde, Liebfrauenkirche Wernigerode, Dorfkirche Vorland, Vollenschier, Schernebeck ... „Wir arbeiten zu 99,9 Prozent für Kirchen“, sagt Betriebsinhaberin Andrea Wilde.

Schon zu DDR-Zeiten war die Kirche Auftraggeber für Glas Wilde. Bleiglasermeister Peter Wilde,gebürtiger Magdeburger, machte sich zu Beginn der 1980er-Jahre mit einer Bleiglaserei in Bellingen selbstständig. Der Auftrag für ein Kirchenfenster bildete den Auftakt für viele weitere. „Wir hatten einen guten Ruf“, sagt Andrea Wilde.

Wie ihr Vater wäre auch sie gern Bleiglaserin geworden. Weil das nicht klappte, machte sie in Bebertal eine Ausbildung zur Glaserin und lieferte als Gesellenstück ein Kirchenfenster in Rosettenform ab – 1989 sehr ungewöhnlich. Andrea Wilde: „Wir waren eben ein bisschen speziell.“

In den Jahren nach der Wende hatte Glas Wilde viele Aufträge und zu Spitzenzeiten acht Angestellte. Die Restaurierung von zwölf Fenstern im Stendaler Dom fiel zum Beispiel in diese Zeit, ein Fünf-Jahres-Auftrag, der viel Planungssicherheit brachte.

1996 schloss Andrea Wilde die Meisterausbildung erfolgreich ab und übernahm dann schrittweise den Betrieb ihres Vaters. Seit 2003 ist sie Chefin, Firmensitz ist mittlerweile in Groß Schwarzlosen bei Stendal. Der Firmenname signalisiert Tradition, aber auch Emanzipation vom Vorgänger: „Glas Wilde II“. Mehr als ihre zwei Mitarbeiter möchte Andrea Wilde nicht haben. „Das ist für mich persönlich überschaubarer“, sagt sie.

Andrea Wilde ist eine praktische Frau, die ihr Handwerk beherrscht. Entwurf, Ausführung, Montage und Wartung sind ihre Aufgaben. „Am liebsten mache ich Zuschnitt und Aufbleien“, sagt die 46-Jährige, nimmt Bleimesser und Aufreiber zur Hand und zeigt, wie das geht. Wir lernen: Eine Bleiverglasung wird geknüpft, Stück für Stück werden H-Profile und Glasscheiben so aneinandergesetzt, dass die Fläche stabil steht. Zehn bis zwölf Stunden Arbeit stecken in einem Quadratmeter.

Bei der Restaurierung der historischen Fenster besteht die Herausforderung darin, Glas in der richtigen Farbe zu finden. „Blau ist nicht gleich blau“, sagt Andrea Wilde und zieht aus den Regalen ihrer Werkstatt einige Scheiben hervor. Dass zu DDR-Zeiten wenig saniert wurde, sei ein Glück für die alten Glas-Bestände. Doch diese würden genauso zur Neige gehen wie die Glasmalfarben, mit denen die alten Meister etwa besonders feine Gesichter malen konnten. „Das bekommt man mit den heutigen Farben nicht mehr so hin“, sagt die Fachfrau.

Bleiglasfenster sind übrigens seit dem Mittelalter in Europa üblich. Bevor es gelang, größere Glasflächen herzustellen, waren sie die einzige Möglichkeit, die Fenster der Kathedralen zu verglasen. Mit unterschiedlich gefärbten Glasstücken schuf man Bildfenster, die den scheinbaren Nachteil in eine eigene Kunstform umwandelten.

Bis heute arbeiten Künstler damit. Nach den Entwürfen des Künstlers Günter Grohs gestaltete Andrea Wilde Chorfenster für die Marienkirche Sangerhausen. Auch mit der Glasmalerin Martina Wegener hat sie gearbeitet, ein Ergebnis sieht man zum Beispiel in der Dorfkirche Köpenitz.

Der überwiegende Teil ihrer Aufträge besteht indes aus der Restaurierung und Rekonstruktion historischer Glasmalereifenster aus dem Mittelalter, dem 19. und 20. Jahrhundert.Die Aufträge kommen allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda und bescheren ihr regelmäßig Kontakte zu den Kirchengemeinden. Oft besuchen die Gemeindemitglieder „ihre“ Fenster in der Glaser-Werkstatt und informieren sich über die Arbeitsprozesse. „Danach sehen sie die Fenster meist ganz anders an“, sagt Andrea Wilde.

Wenn Andrea Wilde auch nicht an Gott glaubt, so ist sie sehr glücklich mit ihrer Arbeit für die Kirchen. Auch aus einem praktischen Grund: „Die Zahlungsmoral ist gut.“ (ag)

Kontakt:
www.glaswilde.de